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Wir sind dann mal in China...2. Woche
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Sonntag, 22.7. - mal gar nichts tun!

Noch vor dem Frühstück geht das mit dem Basteln weiter. Bestles essen zum Sonntagsfrühstück IMMER
weich gekochte Eier. Zu diesem Zweck wurde der "Eipick" zum Anpieksen der rohen Eier auch extra mitgebracht. Was nun fehlt,
sind Eierbecher. Also mache ich mich noch bevor Dieter aufwacht daran, 2 Exemplare aus Alufolie zu gestalten, ok - schön
ist anders, aber sie erfüllen ihren Zweck und können ja jederzeit durch Besseres ersetzt werden.
Da für heute über 40° auf Wetter.com angedroht sind, beschließen wir einstimmig, auf gar keinen
Fall das Haus zu verlassen und verbringen tatsächlich mal einen ganzen Tag zuhause, wo uns weder Hitze noch Luftfeuchtigkeit
was anhaben können.
Montag, 23.7. - die Sache mit dem Backofen
Mit dem im Supermarkt angebotenen Brot sind wir nicht so ganz glücklich. Manchmal gibt es ganz
brauchbares Baguette, meist jedoch ist es steinhart und trocken. Sandwich-Toast ist hierzulande auch nicht immer das,
was wir erwarten. Geschmack und Konsistenz erinnern eher an Kuchen denn an Brot. Also keimt in mir der Gedanke, zumindest
ab und zu selber Brot - respektive Pizzabrot - zu backen. Mehl, Salz, Zucker und Öl sind vorrätig und die fehlende Hefe
werde ich schon auftreiben. Den Ofen im Regal haben wir noch gar nicht ausgepackt, der kommt heute Mittag dran.

Also erstmal den Supermarkt-Einkauf vorbereiten. Mit einer schlichten Einkaufsliste ist es hier
oft nicht getan. Aber meine inzwischen entwickelte Strategie hat sich ganz gut bewährt: Artikel, die ich nicht vom bloßen
Anschauen und Erraten definieren kann, suche ich mir im Internet-Übersetzungsprogramm. Die chinesischen Schriftzeichen
nebst deutscher Übersetzung ordne ich in einem pdf-Dokument untereinander an und lade selbiges auf mein Handy. Neben
Shampoo, Scheuermilch und Yoghurt ohne Zucker landet nun also auch die Hefe auf meiner Liste. Im Supermarkt schnappe
ich mir eine Verkäuferin beim Mehl und halte Ihr meine Zeichen für Hefe unter die Nase. Irgendwie ist sie sich wohl
nicht so ganz sicher, was ich meine und ruft eine Kollegin herbei, die überraschend gut englisch spricht. Sie kennt
zwar nicht das englische Wort für Hefe, fragt mich aber, was das Produkt denn können soll. Ich erkläre Ihr, dass man
Hefe unter's Mehl mischt und sie den Teig beim Backen zum Aufgehen bringt. Und tatsächlich erkennt sie, was ich meine.

Offenbar deuten meine Schriftzeichen auf "Treibmittel" ganz allgemein hin, also auch Soda und Backpulver vielleicht.
Jedenfalls bringt sie mich freudestrahlend zu einem Regal, um dort äußerst enttäuscht zu bekennen, dass die Hefe heute
offenbar ausverkauft ist. 2 Fächer im Regal sind komplett leer, darunter findet sich ein anderes Treibmittel, dessen
englische Beschriftung mir verrät, dass es den Reis wohl lockerer macht, also bin ich schon mal auf der richtigen Fährte.
Ok, dann gibt's das Pizzabrot halt an einem anderen Tag, kein Problem. Am Ende meines Einkaufs treffe ich die freundliche
Verkäuferin nochmal an der Kasse, sie grüßt mich überschwänglich und wiederholt mehrfach "yeast tomorrow!!", also
"Hefe morgen", offenbar ist sie ganz stolz, dass sie heute ein neues englisches Wort gelernt hat. Oh, wenn ich das doch
auch von mir und der chinesischen Sprache endlich mal sagen könnte!

Noch vor dem Kochen wende ich mich unserem Backofen zu. Der große Karton steht bislang unangetastet
im Büro-Regal. Genau genommen wissen wir auch gar nicht, wo wir den Ofen hinstellen sollen, in der Küche ist jedenfalls
kein Platz. Dieter meinte, ich könnte ihn ja erstmal im Büro auf dem Fußboden betreiben, Platz ist da ja genug. Und bei
Gelegenheit würden wir bei Ikea einen dieser kleinen quadratischen Beistelltische kaufen, die kosten in Deutschland so
was wie 7,99 €, hier sogar nur 40,- Yuan und leicht zu transportieren sind sie obendrein.

Hoffentlich ist die Ofen-Kiste nicht zu schwer für mich allein? Ihr kennt das, wenn man hinter
einem Gegenstand ein völlig falsches Gewicht erwartet? Ganz vorsichtig packe ich die große Kiste an und will sie
Zentimeter für Zentimeter aus dem Regal nach vorne heraus wuchten - und schwups hab ich sie im Arm, denn sie wiegt nur
einen Bruchteil dessen, was ich mir unter einem Backofen vorstelle! Ein Blick hinein erklärt vieles: In der unteren
Hälfte steht ein Mini-Öfelchen mit ganz viel Styropor drumherum, auf dass dem Kleinen bloß nichts passiert… Wer lesen
kann, ist klar im Vorteil, auf dem Karton steht ja auch "Mini Series" Ok, das werden dann wohl etwas kleinere
Pizzabrote!
Dienstag, 24.7. - Dieters Geburtstag

Heute hat Dieter Geburtstag, also bekommt er zum Frühstück sein liebevoll ausgesuchtes Geschenk:
Ein ganz besonders edles Tröpfchen. In Ermangelung von Geschenkpapier, wickle ich die wertvolle Flasche in ein Geschirrtuch
ein, etwas Spannung muss ja sein, ohne Auspacken wäre ja langweilig. Dieter mag eigentlich keine Geburtstage, weder
seinen eigenen noch die vielen anderen, am zufriedensten ist er, wenn man seinen Ehrentag einfach ignoriert. Aber da
spielen wir anderen halt einfach nicht so recht mit. Also MUSS er mein wertvolles Geschenk annehmen und ertastet
treffsicher, dass es sich denn wohl um eine Glasflasche handelt. Da wir bisher ausschließlich Rotwein in den Supermärkten
entdecken konnten, Dieter aber ein bekennender Weiß- oder Roséwein-Genießer ist, schlussfolgert er haarscharf, dass es
sich bestimmt um einen Weißwein handle. Nun ja, die Farbe stimmt zumindest in etwa… Bis jetzt lässt mein lieber Mann die
Geschenküberreichung mehr oder weniger ungerührt über sich ergehen, aber als er den tatsächlichen Inhalt der Flasche
identifiziert, kann er sich ein Freudestrahlen einfach nicht verkneifen: "Perrier": Wasser MIT Kohlensäure!!! DAS ist nun
wirklich ein ganz besonderes Tröpfchen hierzulande, fast so teuer wie Wein, aber wesentlich schwieriger zu ergattern.
Die Überraschung ist mir gelungen! Ist es nicht schön, mit welch einfachen Mitteln man in der Fremde schon große Freude
bereiten kann?
Aber damit nicht genug für heute. Zum Mittagessen soll es auch was ganz traditionell deutsches
geben: Panierte Schnitzel, Spätzle, braune Soße und Erbsen. Schweinefleisch - kein Problem, gibt's lecker und preiswert
im Supermarkt, Flachklopfen mit der Bratpfanne. Panade - Mehl und Eier auch kein Problem, haben wir vorrätig, aber
Paniermehl muss aus getrocknetem Baguette selbst "erschlagen" werden. Eine geeignete Reibe oder gar was elektrisches
haben wir natürlich nicht, also wird das trockene Brot in einer Plastiktüte mit der Bratpfanne zerklopft, ist zwar etwas
inhomogen, tut's aber. Spätzle - die Zutaten sind vorrätig und die Spätzlespresse haben wir natürlich mitgebracht. Braune
Soße - schön traditionell aus dunkler Mehlschwitze mit etwas gekörnter Brühe (und damit schon der leicht chinesische
Beigeschmack), Fertigsoße gibt's natürlich nur pur chinesisch. Erbsen - gibt's in der Tiefkühltruhe des Supermarkts,
allerdings nicht irgendwie vorgegart wie wir es kennen, sondern eher getrocknet. Das erkenne ich aber zu spät, so dass
die vorgesehene Garzeit von 20 Minuten bei Weitem nicht ausreicht und erstmal steinharte Erbsen auf dem Tisch landen
und von Dieter ziemlich verschmäht werden, mit Recht. Später köchel ich sie nochmal eine halbe Stunde weiter, dann sind
sie weich und lecker für's nächste Mittagessen. Zum Glück haben wir neben dem 2-Flammen-Gasherd noch die Mikrowelle,
dadurch kann ich erstmal die Soße und die Erbsen parallel kochen und beiseite stellen während Schnitzel und Spätzle die
Flammen belegen. Ersteres wird dann in der Mikro nochmal kurz aufgewärmt. Für den Chinesen reichen die 2 Flammen
wahrscheinlich locker aus: Er packt den Reis in den elektrischen Reiskocher und alles andere wird tendenziell sowieso
gemeinsam im Wok gegart. Unser 2-Flammen-Herd ist auch keine preiswerte Ausnahme für eine Gästewohnung, wir haben noch
nie größere Herde irgendwo in den Läden gesehen. Allerdings müssen zusätzliche, tragbare Induktionsplatten gerade der
Renner sein, die gibt es zuhauf in den Supermärkten.


Am frühen Abend machen wir uns auf, um den Geburtstag am "Konfucius Temple" in der Innenstadt
ausklingen zu lassen. Bereits auf dem Weg zur U-Bahn kommen uns schweißgebadet die ersten Zweifel, ob die Idee wirklich
gut ist, aber inzwischen liegt die kühle U-Bahn schon näher als die klimatisierte Wohnung, also weiter! Rund um den
Konfuzius-Tempel befindet sich DIE Touristenmeile von Nanjing. Viele kleine Lädchen mit Nippes aller Art, aber halt
auch traditionelle Bauformen, eine autofreie Zone ist es obendrein, Rikschafahrer zuhauf, ein Fluss mit Ausflugsbooten
und viele, viele Restaurants. Mir persönlich gefallen ja die kleinen chinesischen Restaurants, oder auch die Imbissbuden
sehr gut, aber Dieter zieht es mit magischer Kraft in Richtung KFC oder Pizza-Hut, frei nach dem Motto "da weiß man, was
man hat".

Direkt visavis vom Pizza-Hut locken mich nochmal die chinesischen Schnell-Imbisse. Bestimmt 15 gleichartige
Imbissbuden liegen nebeneinander, jeder bietet seine eigene Spezialität an und die Gäste nehmen direkt vor dem Tresen
auf Hockern Platz. Um mich dort wegzulocken, findet Dieter genau die richtige Spezialität für mich: dicke fette
Krabbentiere! Schlagartig freue ich mich auch auf Pizza-Hut!
Mittwoch, 25.7. - die Hefe ist da!
Gleich nachdem Dieter sich in Richtung Lehrstuhl aufgemacht hat, starte ich meine heutige Einkauftour
in den Suguo-Supermarkt. Am Eingang kommt man zuerst durch die Elektro-, Haushaltswaren-, Bekleidungs- und
Schreibwarenabteilung, bevor man hinter den Putzmitteln auf die ersten Lebensmittel stößt. Gleich dort erspäht mich -
den blonden "Alien"- eine Verkäuferin und schreit mit extrem lauter, schriller Stimme irgendetwas quer durch den ganzen
Supermarkt, woraufhin hinter einem entfernt liegenden Regal die englischsprachige Verkäuferin von vorgestern hervorgestürmt
kommt. Freudestrahlend begrüßt sie mich und bringt mich direkt zu dem Regal, wo jetzt beide Körbe mit Päckchen von
Trockenhefe gefüllt sind. Es ist ihr offenbar eine besondere Freude, mir das ersehnte Produkt persönlich zu offerieren.
Dankend nehme ich einige Päckchen mit und setze meinen Einkauf fort.
Da mein Einkaufszettel nicht wirklich lang ist, nehme ich mir die Zeit, noch einmal das chinesische
Getränkeangebot gründlich zu studieren, in der Hoffnung vielleicht doch noch bezahlbaren Sprudel zu finden, denn das teure
Perrier vom Geburtstag kann man ja unmöglich Literweise in sich hineinkippen. Jede Flasche mit klarem Inhalt wird ganz
genau inspiziert, vielen sieht man schon von Weitem an, dass sie von der "Bauart" her gar nicht für kohlensäurehaltige
Getränke gemacht sind, so die Form unserer Evian-Flaschen z.B. Tatsächlich erscheinen beim Schütteln einer Wasserflasche
kleine Blubberbläschen, die wirklich auf Kohlensäure hindeuten. Zum Ausprobieren nehme ich ein 0,5-Liter-Fläschchen mit.
Erst ist zuhause meine Freude groß, als das Getränk beim Öffnen der Flasche in gewohnter Weise zischt, aber dann - der
Geschmack - Minze !!!! Man kann mein Geschmackserlebnis am ehesten so beschreiben, als wenn man sich beim Zähneputzen
den Mund mit Sprudel ausspült, Schlucken geht eigentlich gar nicht, das haben wir von Kindheit an so gelernt, oder?
Also DAS wird bestimmt nicht unser Lieblingsgetränk!
Am späten Nachmittag mache ich mich an meinen ersten chinesischen Hefeteig. Bin ja gespannt, wie
das hiesige Mehl und die Trockenhefe sich mit dem etwas eigenartigen Zucker hier vertragen. Der wärmste Ort in der
Wohnung ist das Duschklo, da ist immer das Fenster offen und somit kommt die schwüle Hitze voll zur Geltung. Dort sollte
der Teig doch eigentlich fröhlich vor sich hingehen. Also ab in die Rührschüssel, Geschirrtuch drüber, in die Dusche
damit und abwarten - und tatsächlich: Er kommt schön hoch! Ich forme einen Fladen, der gerade so auf das Backblech unseres
Mini-Ofens passt und backe das gute Stück bei angeblichen 250° aus. Sieht von außen gut aus, ist innen jedoch zu wenig
fluffig, aber der Geschmack stimmt immerhin. Da lohnt sich weiteres Experimentieren.
Donnerstag, 26.7. - Pizzabrot, die Zweite
Am heutigen Nachmittag nehme ich für das Pizzabrot wesentlich mehr Hefe und forme statt eines Fladens
4 runde Brötchen. Und das klappt prima! Konsistenz und Geschmack passen, lecker! Nun werde ich bestimmt nicht jeden Tag
Brötchen backen, aber so ab und zu ist das bestimmt eine nette Abwechslung.
Freitag, 27.7. - Sightseeing ist angesagt
Heute sind wir fällig! Nachdem gestern Prof. Shabana aus Chicago mit seiner Frau in Nanjing ankam,
ist heute gemeinsames Sightseeing angesagt. Auf dem Plan stehen das Grab aus der Ming-Dynastie und das Dr. Sun-Yat-Sen-
Mausoleum. Beides sind großflächige Anlagen auf dem sog. "Purple-Mountain", DEM heutigen Naherholungsgebiet von Nanjing
schlechthin. Es ist eigentlich auch wirklich eine absolut reizvolle Anlage, ein riesengroßer Park mit Alleen, Seen,
verschlungenen Wegen, Wäldern, Wiesen, hier und da mal eine kleinere Pagode, Imbissbuden, Cafés, Souvenirläden… Wenn
nur diese unerträgliche Hitze nicht wäre, die macht echt jeden noch so kleinen Spaziergang zur Tortur. Wir cremen uns
also gründlich mit Sonnenschutzfaktor 50 ein, ziehen möglichst luftige Kleidung an und steigen pünktlich um 14:30 in den
bereitgestellten Van mit Chauffeur ein. Im uns gut bekannten Uni-Hotel holen wir das Ehepaar Shabana ab und versinken
während der kurzen Anfahrt im klimatisierten Wagen sogleich in freundlichen Smalltalk auf englisch.
Zuerst steuern wir das Grab aus der Ming-Dynastie an.
(mehr Info hier)
Die eigentliche Grabkammer wurde nie geöffnet, bislang gibt man sich mit den Offizial-Bauten davor zufrieden. So ähnlich
war es auch mit der heute so berühmten Terracotta-Armee in Xi'an. Dass sich dort eine Grabanlage befand, war schon lange
bekannt und die oberirdischen Bauten genossen auch eine gewisse Berühmtheit, nur per Zufall wurden irgendwann die ersten
Hinweise auf eine viel größere, unterirdische Grabanlage gefunden für deren endgültige Freilegung noch locker einige
Jahrzehnte ins Land gehen werden. Wer weiß, vielleicht fördert man in Nanjing eines Tages auch noch was ganz
außergewöhnliches zutage?
Die Fotos, die ich Euch hier zeige, sind nicht aktuell. Tatsächlich hat Pascal sie schon letztes
Jahr im September gemacht, als wir gemeinsam auf Besuch hier waren. Bei der jetzigen Hitze fällt schon das Zücken des
Fotoapparats schwer, so dass ich darauf beim Besuch bereits bekannten Terrains schlicht verzichte.
Frau Shabana ist zum Glück auch nicht die sportliche, kraxelbegeisterte Touristin, sondern erholt
sich gerade von einer kleineren OP. Sie erklärt unserem unermüdlichen Gastgeber, Prof. Rui, dass es zu viel für sie sei,
die 392 Stufen des Sun-Yat-Sen-Mausoleums
(mehr Info hier)
hinauf zu steigen. Natürlich nur, damit Frau Shabana sich nicht so verlassen fühlt, bin ich sofort bereit, Ihr am Fuße
des Bauwerks in einem schattigen Café Gesellschaft zu leisten, während die Männer sich an den Aufstieg machen. Ungeahnte
Kavaliereigenschaften brechen sich in Dieter Bahn und er besteht darauf, dass er die beiden Damen unmöglich ohne männliche
Begleitung im fremden Land alleine lassen könne und schickt die verbliebenen Professoren zu dritt auf die Treppe… Als die
nach schon 20 Minuten zurückkehren, versuchen sie doch tatsächlich uns weis zu machen, sie seien ganz oben gewesen, aber
ohne Fotobeweis glauben wir natürlich gar nichts und setzten unseren Rundgang auf der Ebene schwitzend, aber gut gelaunt,
mit einem Eis am Stiel fort. Nach ca. 2 ˝ Stunden "Sauna" sitzen wir wieder im Van. Der Chauffeur glaubt bestimmt, uns
etwas Gutes zu tun mit seiner auf Eiseskälte und Sturmtief programmierten Klimaanlage, aber gesund ist DAS definitiv
nicht.
Samstag, 28.7.12 - diesmal nicht Pizza-Hut !
Für den Abend lädt uns Prof. Rui alle ins Restaurant ein. Auch hier habe ich keine aktuellen Fotos
gemacht, sondern greife wieder auf meinen Pascal-Fundus vom letzten Jahr zurück. Wir waren auch nicht im gleichen
Restaurant, aber das Wichtige wiederholt sich immer wieder und ich schildere Euch hier mal so einen typischen Besuch in
einem feinen Restaurant:
Im Gegensatz zu den uns geläufigen Gourmet-Tempeln, beliebt der wohlsituierte Chinese im Separé
zu speisen, so dass sich in den besseren Restaurants eine Gaststube mit vielen Tischen schlicht erübrigt. Vielmehr macht
das Restaurant eher den Eindruck eines Hotels. Wir werden durch weite Gänge mit massenhaft auftretenden Kellnern und
Kellnerinnen geführt, um schließlich unser Separé, passend zur Größe der Gesellschaft, zu erreichen. Heute sind wir zu
siebt: 2 Professoren von der Uni, deren Namen ich mir natürlich mal wieder nicht merken konnte, Prof. Rui, das Ehepaar
Shabana und wir zwei beiden. Neben dem bereits gedeckten Esstisch befindet sich auch eine Sofa-Sitzecke in dem Raum,
also quasi wie im Wohnzimmer zuhause. Dort nehmen wir erst einmal eine Tasse grünen Tee und unterhalten uns. Währenddessen
bespricht Prof. Rui mit der Chefkellnerin das Menü. Heute muss er besonders aufmerksam sein, denn Prof. Shabana stammt
aus Ägypten, ist Moslem und isst daher nichts vom Schwein. Wir halten es ja auch zuweilen so, dass der Gastgeber das
Menü für alle bestellt, aber oft isst man ja auch bei Einladungen à la carte. Das gibt's in China überhaupt nicht,
dementsprechend sind unsere chinesischen Gäste auch regelmäßig völlig überfordert, wenn wir ihnen in Deutschland eine
Speisekarte in die Hand drücken. Prof. Rui fragt in die Runde, wie wir es mit den Getränken halten möchten. Shabanas
lehnen Alkohol aus religiösen Gründen ab, dem schließen wir uns der Einfachheit halber an, so dass Rui letztlich nur
grünen Tee und eine Auswahl an Säften bestellt.
Wenig später erscheinen 3 Kellnerinnen mit den ersten kalten Speisen, die sie auf der drehbaren
Mittelplatte des runden Tisches platzieren. Daraufhin begeben wir uns alle zum Tisch. Der Platz des Gastgebers ist durch
eine besonders aufwändig gestaltete Serviette gekennzeichnet. Er weist allen anderen ihre Plätze zu. Schon eilen die
Kellnerinnen wieder herbei und reichen mit einer Zange jedem ein warmes, feuchtes Tuch zum Hände abwischen, das landet
danach in den dafür bereitgestellten Schalen und wird weiterhin gute Dienste leisten. Das Gedeck besteht aus Teller mit
Unterteller, Essstäbchen (Chop-Sticks), 1 Suppenschale mit Porzellanlöffel, 2 kleinen Schälchen mit Sojasoße und süßem
Essig, 2 Weingläsern, 1 Teetasse und 1 Schnapsglas. Letzteres und eines der Weingläser werden aufgrund unserer heutigen
Getränkeauswahl sogleich entfernt.
Prof. Rui eröffnet das Mahl mit einer kurzen Ansprache. Erst nachdem er als Erster zugreift, dürfen
wir anderen es ihm gleichtun. Die drehbare Mittelplatte ist absolut genial, so hat man keinen Stress mit dem Herumreichen
von Schüsseln und Platten. Der Gastgeber achtet sehr genau darauf, dass jede einzelne Speise bei jedem Gast einmal Halt
macht, damit dieser sich bedienen kann. Normalerweise bedient man sich mit den eigenen Stäbchen direkt aus der Schüssel,
der eigene Teller ist nur für Abfälle da und die gibt es reichlich! Denn im Gegensatz zu dem Essen, was uns in Europa in
Chinarestaurants serviert wird, sind die einzelnen Zutaten hier nicht besonders liebevoll entgrätet, gehäutet oder von
Knochen befreit, vielmehr bekommt man z.T. das ganze Tier serviert (Fisch z.B.) oder mitsamt der Knochen in kleinere Teile
zerhackt. Shrimps sind natürlich nicht gepult und auch Krabben, Krebse und Schildkröten kommen mit Panzer und Beinchen
daher. Wenn man dann den ersten "ABER" überwunden hat, ist es oft wirklich nicht einfach ein brauchbares Stück von der
Schüssel mit den Stäbchen bis zum Mund zu führen. Und dort geht dann das Sortieren in "essbar" und "Abfall" los. Der
geübte Chinese bekommt das problemlos IM Mund hin und spuckt die aussortierten Reste dann auf seinen Teller. Wir
Ausländer müssen wohl oder übel oft die Finger zuhilfe nehmen, obwohl das in China als ausgesprochen unkultiviert gilt.
Nun, da gehen die anerzogenen Manieren stark auseinander, wir hätten von unseren Eltern garantiert sehr böse Blicke
geerntet, wenn wir die Knochen einfach auf den Teller gespuckt hätten, oder? Andere Länder, andere Sitten! Toleranz und
Anpassung - sehr gerne, aber bevor ich mir eine Gräte quer in den Hals schlucke, nehme ich doch lieber die Finger, auch
wenn's als nicht ganz so schick erachtet wird.
Bei keinem Restaurantbesuch hier darf die "Nanjing-Duck" fehlen (auf dem Foto links außen).
Angeblich ist sie viel älter
und berühmter als die Pekingente. Als man in Nanjing -derweil es noch Hauptstadt war- schon längst die Ente auf der
Speisekarte hatte, war das gute Tier in Peking noch gänzlich unbekannt. Während die Pekingente jedoch ein ausgesprochen
aufwändiges, warmes Gericht ist, besteht die Nanjing-Duck nur aus in Salzwasser gekochter Ente mit blasser Haut, die in
1 cm dicken Streifen incl. Knochen kalt serviert wird. Nicht schlecht, aber nun auch nicht der Brüller schlechthin. Zu
den leckeren kalten Speisen gehören Pilze in allen Varianten, dünne, scharf gewürzte Rindfleischscheiben, verschiedene
Arten von eingelegtem, gebratenen Fisch, Cashewkerne und Erdnüsse (sehr spaßig mit den Stäbchen zu angeln), verschiedene
Gemüsesorten. Verzichten könnte ich auf die mitsamt Schale salzig/sauer eingelegten Wachteleier und eine sehr scharfe
kalte Suppe mit großen Tofustücken und Garnelen. Die Suppe nimmt man übrigens nicht direkt vom Topf in den Mund, dafür
ist das Suppenschälchen da.
Die allgemeine Unterhaltung wird immer wieder durch Trinksprüche unterbrochen. Das Besondere daran
ist, dass der "Zuproster" sich immer nur an ein oder zwei Personen wendet. Diese stehen dann zusammen auf, der Redner
sagt seinen Toast auf das Wohl des Angesprochenen und im Normalfall folgt dann die Aufforderung "ganbei", was soviel
bedeutet wie "ex", also das Glas ganz leeren. Wenn dann im Gegensatz zu heute Wein, Bier und dieser völlig ungenießbare
chinesische Schnaps getrunken werden, steigt der Alkoholpegel rasant an. Wir wissen schon, warum wir soooo gerne Tee und
Saft zum Essen trinken! Die Getränkekellnerin kommt nach dem Toast sofort angehuscht um die geleerten Gläser wieder zu
füllen. Dieses Zuprosten macht dann laufend die Runde und als ausländischer Gast wird man naturgemäß besonders häufig
mit dieser Ehre bedacht. Wohl dem, der eine gute Leber in sich oder Tee vor sich hat!
Die Kellnerinnen nehmen nach und nach die weniger vollen Schüsseln vom Rondell. Zum Teil arrangieren
sie die Reste neu auf kleinere Platten, die dann zurück auf den Tisch gestellt werden. Parallel kommen die ersten warmen
Gerichte dazu. Auf die Dekoration legen die chinesischen Köche offenbar ganz besonderen Wert, ganze Kunstwerke landen da
auf dem Tisch.
Z.B. dieser Fisch heißt übersetzt "Eichhörnchenfisch". Er wird zuerst vorsichtig von den Hauptgräten
befreit und von innen nach außen gewendet, dann das Fleisch würfelförmig eingeschnitten. Nach Behandlung mit einer
speziellen Gewürzmischung wird er fritiert und behält dadurch seine verdrehte Form, die im weitesten Sinn an ein
Eichhörnchen erinnern kann.
Der Vogel ist aus weißem Rettich und Karotten kunstvoll geschnitzt und eigentlich nicht zum Verzehr
bestimmt. Das dampfende Füllhorn ist irgendeine chemische Raffinesse, keine Ahnung… Aber die auf dem Teller befindliche
Zusammenstellung von dünnen Pfannkuchen, gebratenem Fleisch, Gemüsestäbchen und verschiedenen Soßen ist toll. Man wickelt
Fleisch und Gemüse mit Soße beträufelt in die Pfannkuchen ein, super lecker! Die Chinesen kriegen das natürlich mit den
Stäbchen hin. Damit kommen wir nicht weit und dürfen dann die Finger benutzen, schließlich möchten ja alle, dass wir
wirklich alles probieren und nicht am Handwerk scheitern.
Als letzter offizieller warmer Gang wird die Suppe serviert. Erfahrungsgemäß ist die pure Brühe
immer sehr lecker, nur bei den festen Suppenbestandteilen ist man vor Überraschungen nicht sicher: Da schwimmt dann schon
mal eine ganze gepanzerte Schildkröte drin oder irgendein Meeresgetier, das nach meinem Gusto auch hätte auf Tauchstation
bleiben dürfen. Gefährlich wird es, wenn dann noch Reis aufgetragen wird oder der Gastgeber auch nur fragt, ob man noch
Nudeln oder Reis haben möchte. Das sollte man bei solch opulenten Mahlzeiten tunlichst ablehnen, denn durch die Annahme
würde man dem Gastgeber signalisieren, dass man entweder nicht satt wurde oder mit seiner Speisenauswahl unzufrieden
ist.
Ganz zum Schluss gibt es noch Früchteteller, die sind immer sehr schön frisch und lecker
zusammengestellt. Favorit sind meist Melonen in allen Formen und Farben, aber auch Litschis und uns gänzlich unbekannte
Fruchtformen kann man problemlos kosten. Übrigens zählen Tomaten in China auch zum Obst, werden also gerne auf dem
Obstteller gereicht und sind im Laden zwischen Äpfeln und Bananen zu finden, nicht etwa bei den Salatgurken.
Wenn alle einigermaßen gesättigt aussehen, erhebt der Gastgeber ein letztes Mal sein Glas und
fordert alle anderen zum Leeren der Gläser auf. Im Anschluss bittet er zum Aufbruch. Dass ein Gast evtl. schon früher
gehen könnte, kommt überhaupt nicht in Frage, das erfordert der Respekt und der Dank dem Gastgeber gegenüber. Ach ja,
der "Doggybag". In Amerika geht man mit dem Einpacken der Reste ja auch ganz unverkrampft um, während einem dieses
sinnvolle Tun in Deutschland ja doch eher peinlich ist und zu gerne die Hühner, Hunde und Schweine im vermeintlichen
heimischen Stall vorgeschoben werden. In China kommen selbst in diesen piekfeinen Restaurants viele kleine
Styroporschachteln und Plastiktüten zum Einsatz bis auch der letzte Rest -außer Suppen- eingepackt ist. Es gehört dann
zum guten Ton, sich gegenseitig das Mitnehmen aufzudrängen und sich umgekehrt vehement dagegen zu wehren, nicht etwa
aus falscher Scham, sondern weil man dem anderen das leckere Resteessen von Herzen gönnt. Schade, dass wir Ausländer in
diesen netten Brauch noch nie mit einbezogen wurden, ich würde mich überhaupt nicht wehren!
weiter zur 3. Woche
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