|
Wir sind dann mal in China...4. Woche
zurück zur 1. Woche
zurück zur 2. Woche
zurück zur 3. Woche
Und tatsächlich bleiben wir am
Sonntag, den 5.8. - gaaaanz friedlich zuhause
Dieter arbeitet sich in Ruis Buch ein gutes Stück voran und ich stricke fleißig. Geht's noch
spießiger? Egal, Hauptsache mal ganz ohne Schwitzen.
Diese Woche nehme ich Euch mit in den Supermarkt

Naturgemäß werden unsere täglichen Abenteuer weniger, daher will ich versuchen, Euch zumindest jede
Woche über ein bestimmtes Thema zu informieren...
Von den angenehm langen und täglichen Öffnungszeiten hatte ich ja schon berichtet. Wie gewohnt gibt es Einkaufswagen, ohne
den uns so vertrauten Euro allerdings. Nicht etwa dass der chinesische Kunde von sich aus seinen Einkaufswagen nach
Gebrauch wieder aufräumen würde, nein! Aber dies ist einer der unglaublich vielen Arbeitsplätze, die so ein Supermarkt
bietet. Gleich hinter der Tür erwartet uns der nächste hilfreiche Geist: Ein Kontrolleur hält einen davon ab mit bereits
halb gefüllten Taschen den Markt zu betreten und sein Kollege direkt daneben hält Einkaufskörbe oder einfache
Stofftaschen für die Kunden bereit, denen der Einkaufswagen zu groß ist.
In den vorderen Non-Food-Abteilungen gibt es natürlich auch ein paar exotische Dinge, das größere
Vergnügen bietet jedoch die Lebensmittelabteilung. Es beginnt ganz friedlich mit trockenen Lebensmitteln auf der einen
und Getränken auf der anderen Seite des Hauptganges. Die Getränke werden hier natürlich nicht in Kästen oder Großgebinden
angeboten, sondern in Einzelflaschen verschiedener Größe, denn die allerwenigsten Kunden kommen mit dem Auto. Man trägt
im Normalfall alles zu Fuß oder bestenfalls mit dem Fahrrad nach Hause. Beim Getränkeangebot fehlt wie schon berichtet
der Sprudel, hingegen Cola und Limonaden gibt es in der vollen Vielfalt des internationalen Angebots. Fruchtsäfte gibt's
auch von exotischen Früchten wie Litschi, Granatapfel, Melone, Mango etc. in großer Auswahl und unsereins bekommt
problemlos Apfel- und Orangensaft mit mehr oder weniger Wasser und Zucker drin, ganz wie zuhause. Auch Bier bekommt man
in verschiedenen Sorten aus Deutschland, Amerika und China. Aber da sind wir ja nicht so sehr die Experten. Das Weinregal
bietet hier ausschließlich rote Sorten, für Weiß- oder Roséwein muss man schon spezielle Läden aufsuchen. Nachdem wir
hier schon gänzlich geschmacklose helle Weintrauben ergatterten, wundert es uns nicht, dass der chinesische Weinbau
offenbar einen großen Bogen um dieselben macht. Aber der chinesische Rotwein ist durchaus zu empfehlen, für den einfachen
chinesischen Kunden mit Preisen zwischen 20 und 90 Yuan aber ziemlich teuer.
Gegenüber, bei den trockenen Lebensmitteln finden wir natürlich Tee in unglaublicher Auswahl.
Das heißt, eigentlich ist die Auswahl gar nicht groß, außer grün, schwarz und Jasmin konnte ich keine anderen Sorten
entdecken. Aber von diesen gibt's 1001 verschiedene Marken, offen oder eingetütet, in ganzen Blättern oder im Teebeutel
und in jeweils 10 unterschiedlichen Packungsgrößen. Das Kaffeeregal nimmt sich daneben ganz bescheiden aus. Hier gibt
es ausschließlich Instant-Kaffee und einige Pülverchen für Cappuccino, Cafe-Latte etc. Gemahlenen Bohnenkaffee bekommen
wir bei Ikea, Carrefour und Metro. Am Ende des Teeregals gibt's Honig in vielen Sorten. Offenbar verwendet man ihn
ausschließlich zum Süßen von Tee, nicht etwa als Brotaufstrich - klar eigentlich, wer isst hier schon Brot?
Als nächstes kommen Nudeln. Da findet man eher wenig Auswahl an getrockneter Ware. Es gibt
Glasnudeln und chinesische Nudeln in Spaghettiform und chinesische Nudeln etwas breiter in Nestchen gerollt. Z.B.
italienische Nudeln gibt's hier vor Ort nicht, da ist dann wieder Carrefour die nächstgelegene Quelle. Den weitaus
größten Teil des Nudelregals beanspruchen die Nudel-Fertiggerichte. In kleinen kompakten Tütchen oder in Pappnäpfen,
wo das heiße Wasser gleich mit reinpasst. Wahrscheinlich könnten wir jeden Tag ein anderes Nudelgericht kosten und wären
zu Weihnachten noch nicht durch.
Weiter geht's dann mit Mehl, Zucker, Salz und Gewürzen. Hier ist das Spannende, dass uns die
Verpackungsformen so fremd sind. Salz und Zucker werden gemeinerweise in etwa gleichgroßen Plastikbeuteln (Größe
Gummibärchentüte) angeboten. Und wenn man knapp daneben greift, hat man Speisestärke oder Glutamat erwischt, lauter weiße Pülverchen,
die sich hauptsächlich durch die chinesische Aufschrift unterscheiden. Da möchte man schon ganz genau hinschauen. Mehl
gibt's kiloweise auch in Plastiktüten. Verblüfft bin ich über die geringe Auswahl an Gewürzen und deren horrende Preise.
Es gibt weißen Pfeffer, schwarzen Pfeffer, Szechuanpfeffer, Chillipulver, Currypulver, Kümmel und 5-Gewürz-Pulver, das
war's! Außer Pfeffer sind alle Gewürzdosen mit einem extra Sicherheitspieper, den wir von der Kleidung kennen, versehen
und kosten 20 bis 40 Yuan. Das ist absolut gesehen vielleicht nicht so viel, aber im Vergleich zu Salz und Zucker mit 3
Yuan für 500g fühlt es sich gleich ganz anders an, oder? Daneben gibt es eine große, preiswertere Auswahl an fertigen
Gewürzmischungen für alle möglichen Gerichte, die unsereins natürlich nur vom aufgedruckten Bild her identifizieren
könnte. Da hab ich mich noch nicht dran vergriffen.

Zum nächsten Regalgang habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis. Hier gibt's getrocknete Pilze
und sonstige trockene Geschichten. Bei den allermeisten habe ich überhaupt keine Vorstellung, was es denn wohl sein
könnte. Und ich glaube, ich will es auch gar nicht so genau wissen…

Beim Reis gibt es zwar gigantische Packungsgrößen aber wenigstens nichts was einem den Appetit
verderben möchte. Offenbar gibt es eine Vielzahl verschiedener Reissorten. Ich bin da nicht so bewandert, kannte bislang
nur Langkornreis, Rundkornreis, Wildreis, klebrigen Sushireis und Basmatireis. Damit scheint es hier aber nicht getan.
Und es wird rund um diese Reistheke gern und lautstark debattiert, keine Ahnung, worum es dann geht. Da diskutieren die
Kunden untereinander mit und ohne Verkäuferin und jeder rührt dabei fast mechanisch in dem offen angebotenen Reis herum,
nun ja, der wird ja auf jeden Fall lang genug gekocht… Hinter dem offenen Reis, die liegenden Tüten, erinnern mich von
der Größe her eher an Streusalz. Da ist natürlich auch Reis drin, 25 kg pro Beutel. Keine Ahnung, wie diese Mengen zu
Fuß nach Hause transportiert werden. Übrigens will ich zuhause auch so einen elektrischen Reiskocher
haben. Ich weiß, dass es die in unserem Asialaden an der Oberkirche gibt. Bisher nahm ich zuhause auf eine Tasse Reis
immer 2 Tassen Wasser und etwas Salz, kurz aufkochen und dann auf dem ausgeschalteten Herd rund 20 Minuten quellen lassen.
Was dabei rauskommt ist dann weder krümel-körnig, wie Uncle Ben's das früher in der Werbung propagierte noch ist er
chinesisch klebrig, irgendwo suboptimal dazwischen. Hier gibt man auf eine Tasse Reis mindestens 3 Tassen Wasser und
schon diese kleine Menge braucht fast 1 Stunde im Reiskocher. Unser Gerät hier hat eine Zeitvorwahl, so dass ich ganz
bequem im Laufe des Vormittags irgendwann die Zutaten reinpacke, 13:00 Uhr vorwähle und dann keinen weiteren Gedanken
daran verschwende. Pünktlich zum Mittagessen haben wir heißen, fluffig-klebrigen Reis, genau wie wir ihn aus dem
Chinarestaurant kennen und lieben. Da ist das Essen mit Stäbchen auch überhaupt keine Hürde.

Im zweiten Reisregal gibt's die etwas handlicheren Abpackungen von NUR 5 - 10 kg und alle möglichen
Arten von Trockenfutter. Da ja alles in chinesisch beschriftet ist, kann ich den Inhalt bestenfalls erraten. Bestimmt
sind diverse Arten von Bohnen dabei, Trockenfrüchte, Mais meine ich erkannt zu haben, Gries, Kichererbsen, so was
wie Haferflocken, aber leider keine Linsen, die hätte ich ja auch gern mal gekocht. Z.T. glänzen die Sachen regelrecht
silber- oder rot-metallisch, ist mir gänzlich unklar.

Eine wahre Freude ist die Obst-und Gemüseabteilung. Große Auswahl, frische Ware und gar nicht
furchterregend. Man bedient sich selbst, leider gibt es keine zugänglichen Tüten. Also packt man alles lose in den
Einkaufswagen und stellt sich dann an der Schlange zum Wiegen an. Dort wird's dann für mich etwas unübersichtlich: Es
gibt 4 Waagen mit 8 Verkäuferinnen und egal wo ich mich anstelle, die Verkäuferin fragt mich mit einer Geste, von
welchem Stapel ich meine Äpfel, Zwiebeln oder Karotten genommen habe. Das zeige ich ihr dann brav und sie entscheidet
nach einem mir gänzlich unverständlichen Konzept, ob sie dafür zuständig ist oder ob sie mich für diesen Artikel an
eine andere Waage verweist. Um nicht ständig unangenehm aufzufallen, bin ich ja schon Weltmeister der Disziplin "Chinesen
gucken und kopieren", aber hinter das Waagensystem bin ich mit all meiner Spionage noch nicht gekommen. Zumindest sind
die Wiegedamen sich vollkommen einig, man hat mich noch nie wieder zur Ausgangsposition zurückverwiesen.
So, und jetzt lassen wir uns mal so richtig das Wasser im Mund zusammenlaufen: Ab zu den Fischen!
Dieter und ich essen ja wirklich gerne Fisch, z.B. Räucherlachs, Thunfisch aus der Dose, Rollmops, Fischstäbchen oder
hübsch vorbereitete rosarote Tiefseekrabben, sogar frittierte Tintenfischringe lassen wir uns schmecken… alles kein
Problem. Nur mit den Originalen kommen wir nicht ganz so gut zurecht, Angeln wäre für uns vollkommen undenkbar. Mir
kommen schon die Tränen, wenn ein fertig zubereiteter Fisch mir auf dem Tisch noch in die Augen schaut. Die Vorstellung,
dass ich persönlich seinem Leben nach dem Angeln ein Ende bereiten sollte - undenkbar, da sind wir beide gänzlich
degeneriert, echte Stadtkinder. Dementsprechend machen wir natürlich auch hier einen großen Bogen um die Frisch-Fisch-Abteilung,
zumal die freundlichen Wasserbewohner der Frische wegen hier sogar lebend angeboten werden. Neben den Wassertieren
verwendet die chinesische Küche auch gerne Wasserpflanzen. Wir hatten im Restaurant schon ausgesprochen lecker zubereitete
Algen und auch Lotuspflanzen.

Mittwoch, 8.8. - HAIKUI kommt !
Nein, das ist kein Gastprofessor aus Japan oder so, das ist der Taifun, der seit gestern auf unsere
Provinz Jiangsu zukommt. Etwas besorgt verfolgen wir die Nachrichtenmeldungen, dass in Shanghai, 300 km östlich von uns
und in den nördlich davon gelegenen küstennahen Städten von Jiangsu vorsichtshalber 400.000 Einwohner evakuiert wurden,
wobei das nicht bedeutet, dass die Leute zig Kilometer ins Landesinnere gebracht würden, sondern nur aus ihren teilweise
sehr wackeligen Einfachbehausungen (z.B. Wanderarbeiter) in Schulen umquartiert werden oder dass Fabriken, die sehr dicht
am Wasser liegen, den Betrieb einstellen. Die Schulen dort sind geschlossen und alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt.
Vom Vormittag flimmern inzwischen Überflutungs- und Sturmbilder aus Shanghai über unsere Mattscheibe. Bei uns
herrscht heftiger Sturm mit Regenschauern, die aber nicht allzu viel Wasser bringen. Rund um unser Wohnhaus stehen sehr
hohe, schlanke Bäume einer uns unbekannten Art. Die sind etwas höher als die 6-stöckigen Gebäude und schwanken schon
seeeeeehr beeindruckend um ca 5 m an den Spitzen hin und her. Der Sturm kommt nur in einzelnen Böen, aber dann versuchen
einzelne Äste der beiden Bäume vor unseren Küchen- und Wohnzimmerfenstern schon bei uns einzudringen, noch halten die
Fensterscheiben…
Unsere chinesischen Mitbewohner beeindruckt die Wetterlage herzlich wenig. Obwohl hier laufend
große und kleine Äste zu Boden krachen, schlendern sie gemächlich mit ihren Regenschirmen draußen rum als wäre nichts.
Das hat auch was Beruhigendes für uns, offenbar ist der Sturm nichts ganz außergewöhnliches hier und die Bäume werden
solches gewohnt sein und demzufolge auch brav stehen bleiben.
Ein paarmal flackerten die Lampen, also Stromschwankungen, aber richtig dunkel wurde es noch nicht
und der Fernseher läuft auch ganz unbeeindruckt weiter.
Donnerstag, 9.8. - es gießt
Zu dumm, dass ausgerechnet heute wirklich Ebbe in unserem Kühlschrank herrscht. Ob es mir passt
oder nicht, ich muss trotz strömenden Regens in den Supermarkt. Das Wasser von oben ist das eine, da hilft ein Regenschirm
immerhin ein wenig. Das größere Problem sind die Wege, die ca. 5 cm tief überflutet sind und zwar flächendeckend, eine
einzige riesengroße Pfütze. Ich ziehe Sandalen an, da kommt das Wasser wenigstens auch schnell wieder rausgeflossen! Es
ist jetzt kurz vor 11 und keine Besserung in Sicht, momentan tobt sogar noch ein lautstarkes Gewitter. Dieter hat aus
Wettergründen heute einen ganzen Tag "home-office" eingelegt. Wir sitzen also gemeinsam im Büro an den Computern und
aus meinem tönt in etwas blecherner Tonqualität BB-Radio. Demnächst kommen die 5-Uhr-Nachrichten und Ihr schlaft sicher
alle noch selig, oder?


Stellt Euch also meine klitschnassen Füße vor und folgt mir in die nächste Abteilung des Supermarkts.
Heute steht u.a. Milch auf der Liste. Für Milchprodukte gibt es eine lange Kühltheke, in der aber dummerweise nicht nur
Milch- sondern auch Sojaprodukte angeboten werden. Joghurt und ein adäquates Sojaerzeugnis lieben die Chinesen offenbar
sehr. Davon gibt es eine riesengroße Auswahl und meistens in ziemlich großen Abpackungen. Wenn man also danebengreift,
hat man schön lange Freude daran. Das Sojazeug schmeckt uns überhaupt nicht, egal wie gesund es sein mag. Und auch beim
Joghurt aus Milch muss man lange suchen, um Naturjoghurt ganz ohne Zucker oder einen einigermaßen schmackhaften
Fruchtjoghurt zu finden, daran arbeiten - essen - wir noch. Inzwischen haben wir uns auf eine bestimmte Milch
eingeschossen, die eigenartigerweise nicht im 1-Liter-Pack sondern mit 920 ml verkauft wird, und das dann für 10,20 Yuan,
also etwa 1,30 €. Aber dafür sind andere Grundnahrungsmittel dann wieder sehr billig. Am Wochenende ist diese Kühltheke
der reine Graus. Dann stehen 4 oder 5 Werbedamen davor, jede mit einem drahtlosen Mikrofon an der Backe und versuchen
Dich lautstark von ihrem speziellen Produkt zum heutigen Sonderpreis zu überzeugen. Natürlich halten sie dann auch
Probierbecherchen bereit und man kommt beinahe nicht an ihnen vorbei.
Butter gibt es nur bei Carrefour und METRO, ebenso richtigen Käse. Hier vor Ort bekommen wir nur
Scheibletten, eine Art Frischkäse und Margarine. All das ist als Importware bzw. nachgemachte Ware ziemlich teuer, mit
den heimischen Lebensmitteln käme man wesentlich billiger davon. Aber zum Frühstück Soja-Reissuppe, einen süßen Hefekloß
und kein Kaffee? Nee, da zahlen wir doch lieber etwas mehr für die Importwaren wie Hefezopf, Butter, Marmelade, Kaffee
und Milch.

Nach bruchsicheren Eierpackungen sucht man etwas länger und da sind dann irgendwelche besonderen,
kleinen Eier drin für teuer Geld. Das durchschnittliche Hühnerei wird stückweise offen verkauft und dann wie Obst in
eine Tüte gefüllt. Wohl dem, der zuhause dann noch die Wahl zwischen Rührei und gekochtem Ei hat. Ich hab's bisher immer
geschafft und bin natürlich mächtig stolz auf mich.

Nun zu meiner Lieblingsabteilung: Fleisch. Wir kennen alle Selbstbedienungstheken für Fleisch im
Supermarkt, alles hübsch und appetitlich verpackt und präsentiert. Das gibt's hier auch und zwar in sehr angenehm kleinen
Packungsgrößen, geradezu ideal für unseren 2-Personen-Haushalt. Sehr praktisch finde ich auch die fertigen Zusammenstellungen
von Fleisch mit Gemüse, aus denen man im Handumdrehen eine leckere Suppe oder ein Pfannengericht zubereiten kann. Vor
allem sind die Preise natürlich unschlagbar günstig. Aus dieser Packung z.B. habe ich eine Suppe gekocht und wir wurden
zu zweit für nur 0,80 € gut satt.
Neben diesen Abpackungen gibt es aber noch die andere Form der Selbstbedienung: Alles Fleisch liegt
für den Kunden offen zugänglich, häufig in Körben, in der Theke. Ich traue meinen Augen kaum, als die chinesischen Kunden
munter in den verschiedenen Fleischsorten herumfingern. Da wird geknautscht und beschnuppert, kurz angetestet, ob der
Knochen sich auch löst, fehlt nur noch, dass jemand mal kurz reinbeißt! Die Verkäufer stehen hinter der Theke und sind
gern behilflich, wenn mal ein Stück abgeschnitten oder mit dem Hackebeil zertrennt werden soll. Aber hier gibt's
wenigstens Tüten, so dass ich mir eine solche wie einen Plastikhandschuh überziehen kann, wenn ich mein gewünschtes
Stück Fleisch -wohlgemerkt mit den Augen! - auserkoren habe. Das reiche ich dann über den Tresen, dort wird abgewogen
und fertig.

Dasselbe beim Geflügel. Hier sind die Chinesen besonders kritisch, da werden bestimmt 20
Hähnchenschlegel begrabscht und von allen Seiten gemustert, bevor dann endlich mal 3 davon in die eigene Tüte wandern.
Über die Qualität kann man überhaupt nicht meckern. Es wirkt alles sehr schön frisch und die einzelnen Sorten sind gut
voneinander getrennt. Ich hatte im Vorfeld, nach meinen Restauranterfahrungen, schon befürchtet, dass man wohlmöglich
nur halbe Schweine oder irgendwelche wilden Einteilungen mit Knochen drin und allem drum und dran bekommen würde, aber
da lag ich erfreulich weit daneben. Ich kann schön auswählen zwischen Kotelett, Schweinefuß, halbem Ziegenkopf und
Rinderfilet. Meistens weiß ich zwar nicht, was ich da gerade kaufe, aber Dank der freizügigen Selbstbedienung kann ich
ja ganz genau hinschauen und da ist es mir letztlich egal, ob das nun bei uns als Schweineschnitzel oder als Schweinefilet
gelten würde. Die Fleischpreise sind sehr niedrig, das teuerste, was ich bisher sah waren mal 34,- Yuan pro kg für so
was wie Rinderfilet. Daraus könnte man nun schließen, dass die Chinesen wegen dieser günstigen Preise wohlmöglich viel
Fleisch essen, tun sie aber nicht, weil es ihrer Meinung nach viel zu ungesund ist. Sie bevorzugen ganz eindeutig Gemüse
und Reis.

Auf dem Hinweg zum Einkaufen musste ich mich ja vor unserer Haustür durch etwa 5 cm hohes Wasser
kämpfen, Ausweichen völlig unmöglich! Auch auf den Hauptwegen des Campus und vor allem auf den Gehwegen an der Hauptstraße
entlang waren immer wieder ganze Flussläufe zu durchqueren, von oben kam aber nicht mehr allzuviel Nachschub in Sachen
Wasser. "Chinesen gucken" brachte mich heute auf die geniale Idee, mir auch Gummischuhe zu kaufen. Meine schönen
Ledersandalen nehmen solche Vollbäder bestimmt auf Dauer sehr übel. Also investiere ich im Supermarkt etwa 1,- € für ein
Paar pinkfarbene Gummischuhe.
Die ziehe ich am Ausgang dann auch gleich an, was sich als noch bessere Idee erweist. Während
meines Einkaufs muss ein wahrer Wolkenbruch heruntergekommen sein. Was vorhin schon "ganze Flussläufe" waren, sind jetzt
reißende Fluten. Ja, tatsächlich, man muss direkt aufpassen, dass man die Laufrichtung gegen die Fließrichtung des
Wassers beibehält. Ich hab ja schon eine Caprihose an, diese krempel ich jedoch nochmal bis zum Knie hoch wegen
des Spritzwassers vom eigenen Laufen! Unsere Wohnsituation hat sich kurzfristig verändert: Wir wohnen jetzt in einem
Wasserschloss, umgeben von einem See. Schade nur, dass es keine Brücke zum Eingang hin gibt...

Freitag, 10.8. - unser See ist wieder abgeflossen
Die Fluten haben sich zurückgezogen. Taifun HAIKUI hat auf dem Campus ganz schön gewütet. Die Wege
und Grünflächen sind übersät mit herabgestürzten Asten, Zweigen und Blättern, viele Mülltonnen sind umgekippt und ihr
Inhalt ist weit verstreut, an einer Baustelle liegt ringsherum leichtes Baumaterial verteilt. Da gibt es so einiges
aufzuräumen. Von Bob erfahre ich, dass es in Nanjing ein Todesopfer gab, der von einem Ast erschlagen wurde. Aber
insgesamt ist unsere Provinz glimpflich davongekommen, da sieht es in Shanghai und in der Nachbarprovinz wesentlich
schlimmer aus. Nach Bobs Auskunft gehören weder solche Stürme noch derartige Regenmengen zum normalen Jahreslauf in
Nanjing. Er selbst lebt seit 5 Jahren hier und hat dies nun zum ersten Mal erlebt.
Eine besondere Serviceleistung unseres Supermarktes hatte ich beim Regen gar nicht erwähnt: Gleich
am Eingang steht bei Regenwetter noch mehr Personal bereit. An einem Tütenspender mit besonders langen schlanken
Plastiktüten wird einem der klatschnasse Regenschirm abgenommen, egal ob Knirps oder Stockschirm, und schön fein
säuberlich eingepackt, so dass man sich um das nasse Ding erstmal keine Gedanken mehr machen muss, ganz feine Sache!
Nachdem Ihr nun sicher alle ganz neidisch seid, dass Ihr beim Einkauf nicht selbst im Gulasch
rumwühlen dürft, um Euch die besten Brocken raus zu sammeln, gehen wir heute zu den Fertiggerichten. Die gibt es in
großer Auswahl sowohl tiefgekühlt als auch frisch. Was es hier nicht gibt, sind Dosen. Im gesamten Supermarkt, und zwar
in allen die wir bislang in Nanjing besuchten, gibt es so gut wie keine Konserven. Bei den "imported foods" fanden wir
zum Glück Dosentomaten (mit Aufreißdeckel) und es gibt auch eine kleine Auswahl an Gläsern mit eingelegten Pfirsichen,
Birnen und Mandarinen von chinesischen Firmen. Aber sämtliche Gemüsesorten und mehr Obst sucht man hier vergebens in
Dosen. Dementsprechend gibt es auch nirgends Dosenöffner zu kaufen, braucht hier kein Mensch. In einem Buch, das über
Peking berichtet, las ich jedoch was von einer riesengroßen Auswahl an Dosenfutter. Das werden wir übernächste Woche
genauer untersuchen… Bei den TK-Fertiggerichten findet man vor allem WanTans und Dumplings in großer Vielfalt. Aber
auch andere Fertigzusammenstellungen mit Fleisch, Reis und Gemüse oder auch ganze Pekingenten werden angeboten. Erbsen,
Mais und Mischgemüse, Rindersteak und Hähnchenteile sowie gepulte Krabben runden das Angebot ab.
Dumplings bestehen aus einer dicken Hefeteighülle, innen gefüllt mit Fleisch und/oder Gemüse oder
auch mit einer pappsüßen Nuss-Obstmischung. Dummerweise sieht man es den Teilen von außen nicht an, was einen drinnen
erwartet, das kann für die Geschmacksnerven ganz schön überraschend sein. Aber auf den TK-Tüten ist es ja auch immer
bildlich dargestellt, was drin ist. WanTans sind gefüllter Nudelteig, also die chinesische Variante von italienischen
Ravioli, russischen Pelmeni oder deutschen Maultaschen. Da habe ich noch nie süßen Inhalt gehabt, wäre auch eher blöd,
da sie ja als Suppeneinlage serviert werden.

Die Dumplings bekommt man hier auch fertig als Frischware, leider aber nur mit chinesischer
Beschriftung, was den Inhalt angeht. Daneben kann man aber auch nur den Teig fertig kaufen und zuhause selbst
weiterverarbeiten. Ich bin überrascht, wie viele unterschiedliche Teigsorten da angeboten werden, vor allem wüsste
ich zu gern was es mit dem dunkleren, rötlichen auf sich hat. Da Dieter die Dumplings überhaupt nicht mag, jedoch
jeden Tag zum Mittagessen nach Hause kommt, habe ich aber leider keine Chance zum Experimentieren. Zu unserem Reiskocher
gibt es nämlich auch einen extra Locheinsatz zum Dämpfen von Dumplings, na ja vielleicht komme ich irgendwann doch noch
mal in den Genuss…

Wahrscheinlich liegt es daran, dass die chinesische Küche ziemlich viel an Vorbereitungszeit
beansprucht und in den allermeisten Familien beide Elternteile berufstätig sind, dass die Auswahl an gut vorbereitetem
oder schon fertigem Essen in den Supermärkten so groß ist. Insbesondere Geflügel gibt es in diversen Zubereitungsarten
heiß zum Mitnehmen. Andere Fleischsorten, Gemüse, Pilze, Tofu, frische Nudeln kann man gleich nebenan vorgegart oder
zumindest kleingeschnitten bekommen.

Offenbar besonders beliebt ist die Theke mit kalten Fertiggerichten. Dort kann man sich - wenn ich
das richtig beobachtet habe - zum kg-Preis selbst bedienen. Das was der Mann da gerade angelt, sieht aus wie wohlgenährte
Regenwürmer, die würde ich dann eher liegen lassen, aber so manch anderes würde ich schon mal probieren wollen, Dieter
definitiv nicht! Beim Essen lässt er echt jede Form von Forschergeist und Experimentierlust vermissen.
Samstag, 11.8. - noch ein neuer Supermarkt
Heute machen wir uns auf zu "Auchan", wie Carrefour eine Supermarktkette französischen Ursprungs.
Wir sind gespannt, was es dort wohl noch neues zu entdecken gibt. Da er 10 Metrostationen entfernt ist, muss er gegenüber
Carrefour (5 Stationen) schon mächtig punkten, damit wir ihn öfter anfahren. Tatsächlich liegt er einigermaßen dicht an
der U-Bahn. Das Einkaufszentrum drum herum wird wohl gerade generalsaniert, so dass wir durch eine pure Baustelle durch
müssen, wo sich sonst offenbar kleinere Geschäfte befinden, bevor wir die Rolltreppe des Auchan erreichen. Die Non-Food-
Abteilungen sind größer als in den anderen Märkten. Außer Möbeln könnte man hier vermutlich einen Haushalt komplett
einrichten. Wir bleiben in einem Gang hängen, wo links und rechts künstliche Bambusstengel die Regale zieren.
Von Weitem hatten wir die aufgerollten oder gefalteten Matten schon öfter gesehen und als Teppiche
oder Badvorleger identifiziert. Nach dem Tsunami in Japan letztes Jahr wurde ja auch aus den dortigen
Notunterkünften berichtet. Da hatte ich schon bemerkt, dass die Leute nicht auf Feldbetten sondern auf dünnen Bastmatten
schliefen. Das fiel mir auch jetzt wieder auf, als von den Evakuierungen wegen der Taifune in China im Fernsehen Bilder
kamen.
Und nun sehen wir, dass es offenbar Leute gibt, die ganz ohne Not solche Matratzen bevorzugen,
zu denen auch die passenden Bambus-Kopfkissen angeboten werden. Zu meiner Beruhigung sind ein paar von den Matten auch
offen ausgestellt, und zwar oben auf einer "normalen" Matratze.
Wobei normal echt nicht mit europäischem Maßstab zu messen ist, die hiesigen Matratzen sind oft genauso hart wie bei uns
ein dicker Teppichboden. In unserem hiesigen Bett ist auch so eine "Steinmatratze", aber immerhin noch mit einer Auflage
ein bisschen abgefedert. Zu Beginn dachte ich, dass wir bestimmt nochmal zumindest eine solche Auflage kaufen müssten,
aber inzwischen habe ich mich an die "harten Sitten" gewöhnt. Nun ja, die Bambusmatten wären da noch einen Zahn schärfer,
selbst wenn sie nur die oberste Schicht auf einer chinesischen Matratze bilden. Es macht nicht den Eindruck, dass man
darüber noch ein Leintuch legen würde. Offenbar geht es beim gesundheitlichen Aspekt darum, direkt auf dem Bambus zu
liegen. Es gibt auch direkt Kissenbezüge mit einer Seite Stoff und einer Seite Bambus. Da die Stoffseite den
Kissenverschluss beinhaltet, scheint Bambus die Oberseite zu sein.


Die Lebensmittelabteilung des Auchan bringt jetzt keine besonderen Highlights zutage. Wir kaufen
ganz normal für die nächsten Tag ein. Kurz vor den Kassen kommen die Kühltruhen mit dem Speiseeis. Eis am Stiel wird hier
meist nur in Familienpackungen angeboten, das macht bei dem weiten Heimweg natürlich keinen Sinn. Schon am ersten Tag in
unserem Suguo-Markt hielt ich diese eine Packung auf den ersten Blick für TK-Erbsen, bis ich erkannte, dass es "Erbsen-Eis"
sein müsste. Just diese grüne Leckerei gibt's heute bei Auchan auch einzeln zu kaufen. Muss ich haben! Und tatsächlich,
das ist Gemüseeis! Allerdings nicht aus Erbsen, sondern aus Sojabohnen. Nun ja, man kann es irgendwie essen, aber
eigentlich verbindet unsereins was anderes mit erfrischendem Eisgenuss…
weiter zur 5. Woche
|
|