Wir sind dann mal in China...10. Woche

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Woche 10 - Internationale Kontakte

Schon von Deutschland aus hatte ich meine Finger im Internet in Richtung "Nanjing International Club", kurz NIC ausgestreckt. Dass ich dort sogar eine Handarbeitsgruppe unter deutscher Leitung fand, habe ich ja schon berichtet. Nach dem Ende der Sommerpause, also den Schulferien der Internationalen Schule in Nanjing Mitte August, begannen nach und nach die diversen Aktivitäten des Clubs. Durch unsere Urlaubsreise habe ich so einiges verpasst, nur am Tag vor dem Urlaub und am Donnerstag letzter Woche konnte ich zur Handarbeitsgruppe "Pins & Needles" gehen. Aber ab dieser Woche kann ich endlich so richtig beginnen, mein soziales Netz zu knüpfen.

Der NIC hat dieses Jahr knapp 500 Mitglieder, hauptsächlich Familien, deren Ernährer in Nanjing für eine ausländische Firma oder ein Joint-Venture arbeiten. Neben Deutschen habe ich allein schon bei Pins & Needles (P&N) Schweizer, Franzosen, Italiener, Spanier, Holländer, Schweden, Amerikaner, Australier, Neuseeländer und Koreaner kennengelernt, eine sehr bunte Mischung also.

Im Gegensatz zu uns wohnen diese "Expats" (Expatriate = Auswanderer) nicht in bescheidenen Kleinstwohnungen mitten zwischen chinesischen Studenten, sondern in sogenannten "Compounds". Das sind geschlossene Wohngebiete, rundherum von einer mehr oder weniger unüberwindlichen Begrenzung umgeben mit 1 oder 2 bewachten Eingängen. Diese Compounds sind nicht ausschließlich Ausländern vorbehalten, aber nur wenige Chinesen können sich die dortigen Wohnungen leisten. Eigentümer der Wohnungen und Häuser sind aber fast immer reiche Chinesen, die sich mit der Vermietung eine goldene Nase verdienen. Einen Eindruck vermitteln diese Webseiten: http://www.topshelf.com.cn und http://www.shre.com.cn/VillaListing.jsp Dort könnt Ihr unter apartments oder villas die verschiedenen compounds mit klangvollen Namen wie "Royal Garden" oder "Noble Mountain" finden und Euch zumindest mal die Außengestaltung, teilweise auch die Innenausstattung anschauen. Spätestens der direkte Vergleich mit meinen Fotos aus Woche 1, lässt Euch nachvollziehen, dass der NIC mir eine gänzlich neue Welt in Nanjing eröffnet.

Die chinesischen Eigentümer, die Landlords, statten die Wohnungen und Häuser meist komplett mit Mobiliar und Einbauküchen aus. Offenbar trauen sie ihren ausländischen Mietern dabei oft einen sehr "imperialen" Geschmack zu. Von den 3 Häusern, die ich bislang besuchte, glichen 2 mehr einem Schloss als einem Haus des 21. Jahrhunderts. Glitzernde Kronleuchter, verschnörkelte Säulen, riesige Sofas aus Holz und Leder mit wild verzierten Beistelltischen, Himmelbetten à la Neuschwanstein etc. Aber es gibt auch modern und schlicht eingerichtete Häuser und Wohnungen. Meist hat man als angehender Mieter nicht die ganz große Wahl. Zum Einen sind nicht ständig genügend Wohnungen frei, vor allem wenn man sich auf eine bestimmte Wohngegend fixiert zwecks Nähe zum Arbeitsplatz oder zur Schule der Kinder. Zum Anderen setzen die Arbeitgeber ja auch gewisse Limits, wieviel sie höchstens für die Miete zahlen wollen, wobei selbst das "einfachste" Haus mit "nur" 170 qm Wohnfläche für "nur" 25.000 Yuan pro Monat (= 3000,- €) doch schon einen gewissen Luxus ausstrahlt. Ja, die Firmen lassen es sich was kosten, dass ihre Mitarbeiter aus den oberen Etagen mehrjährige China-Verträge unterzeichnen. Selbstverständlich sind alle Arbeitsverträge unterschiedlich, aber mein neugieriges Nachfragen brachte mir die Erkenntnis, dass das Gehalt eines Expats schon deutlich über dem des gleichrangigen deutschen Mitarbeiters liegt und oftmals gehören auch Dinge wie Gärtner, Haushaltshilfe und Auto nebst Chauffeur zu den Bonbons, die einem den Chinaaufenthalt versüßen sollen.

 

Sonntag, 16.9. - Grillen bei Brigitte

Brigitte hatte ich ja bereits erwähnt: Sie ist für P&N mitverantwortlich und hat mich schon vor unserer Anreise mit sehr wertvollen Informationen versorgt. Sie lebt seit Sommer 2008 in Nanjing und möglicherweise bleiben sie noch weitere 2 Jahre. Vor dem Urlaub endlich lernten wir uns dann persönlich kennen und für den heutigen Sonntag sind Dieter und ich zum Grillen eingeladen.

Brigitte wohnt in "Evian Valley", einem relativ neuen Compound ganz dicht bei der internationalen Schule. Ihre Doppelhaushälfte hat weit über 200 qm Wohnfläche, einen kleinen Garten mit großer Terrasse und Koiteich. 28.000 Yuan Miete bezahlt der deutsche Arbeitgeber ihres Mannes dafür monatlich. Die Inneneinrichtung ist sehr "imperial" und Sohn Daniel (8. Klasse) ist nicht wirklich begeistert von seinen weiß lackierten Schnörkelmöbeln im Jugendzimmer, aber was soll's… Brigitte wiederum fragt sich, warum ein Haus mit 3 Schlafzimmern 5 Bäder braucht. Daniel lerne ich kennen, als er mit 2 englischsprachigen Freunden im sogenannten "Japanzimmer" liegend Computerspiele spielt. Das Japanzimmer besteht momentan aus einer großen Liegefläche, die das gesamte Zimmer beansprucht, über 2 Treppenstufen hinter der Zimmertür zu erklimmen. Ich erfahre, dass man den mittleren Teil auch elektrisch hochfahren und als niedrigen Tisch nutzen kann, um den man im Schneidersitz herumsitzt, also ganz japanisch. Die Fenster sind mit Bastrollos bestückt, was den Japancharakter nett unterstreicht. Im Keller gibt's als weiteres Highlight das Karaoke-Zimmer, welches allerdings nie ganz fertig wurde, scheinbar ging dem Vermieter irgendwann Geld und/oder Lust aus. Aber der ganze Raum ist vom Boden bis zur Decke mit schalldämmendem Textilbelag ausgestattet, ein riesiger Flachbildschirm ist vorhanden und für die restliche Karaoke-Technik sind diverse Ablagen, Nischen und Anschlüsse vorbereitet. Für mich persönlich ist natürlich Brigittes Nähzimmer das eigentliche Paradies des Hauses, aber das verstehen wahrscheinlich nur die Patchworker unter Euch…

Zentraler Punkt der Küche ist ein 2-türiger Riesenkühlschrank mit Getränke- und Eiswürfelspender, da strahlen Dieters Augen aber! Der Herd hat auch nur 2 Flammen, wie überall. Darunter befinden sich nicht etwa Backofen oder Topfschubladen, sondern der Abtrockenschrank. Die Chinesen spülen ihr Geschirr i.A. von Hand und packen es dann in diesen Trockenschrank, der mit enormer Hitze (Tupper schmilzt gnadenlos dahin) das von mir so vermisste Geschirrtuch ersetzt und gleichzeitig eine sterilisierende Wirkung hat, die Chinesen nennen das Ding auch übersetzt Sterilisator. Brigitte wollte aber viel lieber eine Spülmaschine haben. Der Landlord war nett und baute eine ein, allerdings ist das gute Stück so klein, dass in der Höhe keine Gläser und Teller hineinpassen, nur die chinesischen Schälchen, Tassen und Besteck kriegt man irgendwie untergebracht. Schade eigentlich!

Außer uns ist noch ein deutsches Ehepaar eingeladen. Maria und Christian aus München. Wir Frauen kennen uns alle bereits von P&N, die Männer lerne ich, wie Dieter, auch erst jetzt kennen. Schnell finden wir interessanten Gesprächsstoff, Thema: Leben in China und die verschiedenen Erfahrungen.

Dank Metro-Großhandel hat Brigitte zum Grillen sogar Nürnberger Bratwürstl und französisches Baguette bekommen, dazu leckere Steaks und Schaschlickspieße. Maria steuert einen griechischen Salat bei und ich habe Nudelsalat und selbstgemachte Kräuterbutter mitgebracht. Deutsches Bier, Cola, Sprudel!!!! und südafrikanischer Rotwein runden die Speisekarte ab. So lassen wir es uns in deutscher Sprache mit sehr gewohnten Grillspezialitäten gänzlich unchinesisch gut gehen.

 

Montag, 17.9. - Google-maps

Zoe aus Australien schickt heute eine mail in die Runde mit der Adresse von Christine, wo am Donnerstag P & N stattfinden wird. Man trifft sich immer in privaten Wohnzimmern. Obwohl regelmäßig rund 25 Frauen kommen, haben viele in ihren großen Häusern tatsächlich genug Platz und Sitzmöbel, um so große Gruppen zu beherbergen. Bei mir, mit 3 Stühlen, 3 Tassen und 4 Gläsern wäre das schon eher schwierig. Um das zu kompensieren, habe ich mich in der Liste mehrfach eingetragen, dass ich was zum Essen mitbringen werde, das nennt man hier "Morning Tea". Am Donnerstag soll ich erstmals Morning Tea mitbringen und ausgerechnet dann sind weder Maria noch Brigitte dabei wegen anderer Termine. Da fehlt Euch jetzt der Zusammenhang…. Bisher hat Brigitte mich immer an der Metrostation abgeholt und dann zum jeweiligen Treffpunkt mitgenommen. Ohne sie muss ich jetzt erstmals ganz alleine eine Adresse in so einem Compound finden.

Der ganze Compound hat eine gemeinsame Adresse, so wie unser Uni-Campus z.B. Xiao Ling Wei 200. Und innerhalb der Mauern gibt's dann nur noch Nummern, die nicht unbedingt besonders logisch aufgereiht sind, und da finde dann mal ein bestimmtes Haus, bewaffnet mit Getränkeflaschen, Kuchentablett und Obstsalat… Also will ich auf Nummer sicher gehen und versuche den Compound per google-maps zu lokalisieren. Zoe hat neben der Hausnummer von Christine auch noch eine kurze Wegbeschreibung innerhalb von "Royal Family" angegeben. In der google-Ansicht "Karte" kann ich die Adresse von Royal Family auch lokalisieren, aber dann muss ich auf "Satellit" umschalten, um das Haus entsprechend der Wegbeschreibung zu entdecken. Dummerweise stimmen die Kartenausschnitte von "Karte" und "Satellit" aber überhaupt nicht überein, sodass ich meinen Pfeil in einem ganz falschen Wohngebiet wiederfinde. Mich am richtigen Ort vermutend, mache ich einen Bildschirmscan und schicke den per mail an Christine, in der Hoffnung, dass sie mir bestätigt, dass ich ihr Haus eingekreist habe. Fehlanzeige! Und leider ist Christine keine wahre Computerfreundin, so dass sie mir nur sagen kann, dass ich falsch bin, aber keinen Verbesserungsvorschlag per google rausfindet. Es kostet mich ganz schön viel Zeit, bis ich endlich auch auf dem Satellitenfoto in Royal Garden ankomme und Christines Haus finde, so kann man seinen Tag auch verbringen…

 

Dienstag, 18.9. - Kochkurs

Mehrmals im Jahr bietet der NIC chinesische Kochkurse an, das lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Zum ersten Mal trifft man sich dazu heute in "Fraser Suites", einer piekfeinen Hoteladresse nahe dem Olympiazentrum. Susanne, die schwedische Organisatorin konnte den dortigen Chefkoch dafür gewinnen, weiß aber selbst auch nicht, was uns im Detail erwartet. Zum Glück hat sich Maria auch angemeldet. Sie ist schon fast 5 Jahre hier und kennt sich sehr gut in der Stadt aus. Vor allem ist sie, wie ich, keine Taxi- sondern Busnutzerin. Wir treffen uns in einer Metrostation auf halbem Weg zur Innenstadt und fahren bis fast zur Endhaltestelle der Linie 2 ins Olympiazentrum. Von dort sind es nur wenige Minuten Fußweg zu Fraser. Maria weiß auch bereits, dass der Hoteleingang nicht vorne, sondern hinter dem Gebäude, sehr versteckt zu finden ist. Nach und nach tauchen alle Teilnehmerinnen auf, wir sind zu siebt.

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Im Hotelrestaurant, wo bis gerade noch Frühstück serviert wurde, baut das Personal die Müslitheke zur Kochbar um. Nach einer freundlichen Begrüßung in bestem Englisch durch einen Hotelmitarbeiter mit Kaffee und Früchten, bekommen wir Kochmützen und Schürzen überreicht. Wer kein eigenes Equipment dabei hat, erhält auch Schneidebrett und Messer vom Personal. Der Koch selbst spricht kein Englisch, aber 2 Mitarbeiter übersetzen fleißig alle Einzelheiten, während eine dritte für die Homepage des NIC fotografiert.

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Unser erstes Gericht ist mein absoluter Favorit der chinesischen Speisekarte: Schweinefleisch süß-sauer. Der Koch macht uns alles vor und wir versuchen es ihm einigermaßen geschickt nachzumachen: Fleisch und Gemüse schön gleichmäßig kleinschneiden. Bei ihm kommen ebenmäßige Gemüserauten heraus, bei uns größtenteils eher unförmige Happen, aber egal. Zu meiner Überraschung bestehen die runden Fleischbälle nicht aus kompaktem Fleisch, sondern aus dünnen Scheiben, die nach einer ersten Marinade dann zur Kugel geformt und ein zweites Mal paniert werden. Wir alle sind sehr verblüfft, mit welch riesigen Mengen Öl der Koch arbeitet. Die Fleischbälle werden schwimmend in der Pfanne frittiert und das ganze Gemüse wird zum Garen nur im Sieb kurz mit dem heißen Öl übergossen - fertig. Wir haben immer zu zweit bzw. zu dritt eine gemeinsame Pfanne und garen unsere Zutaten nacheinander, bevor wir uns zum Essen hinsetzen. Susanne beobachtet mich, wie ich mir ein paar Notizen mache und schon habe ich die Aufgabe, die Rezepte in Englisch aufzuschreiben und per mail an alle zu verteilen. Für Euch habe ich sie natürlich auch auf deutsch parat: Schweinefleisch süß-sauer und Rindfleisch mit Gemüse . Unsere selbstgekochten Portionen sind definitiv zu groß, um sie mal eben als zweites Frühstück zu vertilgen. Schwubs liefert das Hotelpersonal uns Plastikschälchen zum Einpacken der Reste. Dann geht's auch schon weiter mit dem zweiten Gericht: Rindfleisch mit Gemüse. Das Fleisch ist schon geschnitten und über Nacht mariniert, so dass gar nicht mehr viel zu tun bleibt. Der Koch hätte uns ruhig warnen können, dass mit der von ihm vorgegebenen Menge an Chillischoten was ECHT scharfes dabei rauskommt, dabei sahen die langen, grünen Schoten eher wie Paprika aus. Die Farbe rot hätte uns bestimmt gewarnt. Auch der zweite Gang wandert zu einem kleinen Teil in unsere Mägen, der größere Teil wird eingepackt. Auf die Art kommen unsere Göttergatten auch noch in den Genuss.

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Bevor wir aufbrechen, um das Restaurant für das anstehende Mittagsgeschäft frei zu machen, kommt der Hotelmanager vorbei und isst einen Happen mit. Wir unterhalten uns recht nett mit ihm. Er ist noch sehr jung, 32 vielleicht und stammt aus Taiwan. Er berichtet, dass er zuerst in Shanghai für Fraser gearbeitet hätte, das sei im Vergleich zu Taiwan schon eine große Umstellung gewesen, aber Nanjing habe er am Anfang, vor 5 Jahren, als "viel zu chinesisch" empfunden. Aber inzwischen sei die Neuzeit auch hier endlich angekommen. Ja, das kann ich irgendwie nachempfinden, wobei meine älteren Nanjingerlebnisse ja sogar schon 9 Jahre her sind. Mit einer amerikanischen Teilnehmerin teilt er die Erfahrung Dubai zu kennen. In diesem Zusammenhang höre ich, dass dort die Temperaturen im Sommer so um die 50° C liegen. Da ging es uns im Nanjinger Sommer doch noch relativ gut und ich weiß jetzt, dass ich Dubai definitiv NUR im Winter besuchen werde.

Bis ich nach Hause komme, hat Dieter sich schon ein Spiegelei in die Pfanne gehauen. Gut, dann gibt es meine kulinarischen Köstlichkeiten halt zum Abendessen. Auf seinem Heimweg traf er Ling, die Frau unseres Gastgebers und erzählte ihr von meinem heutigen Kochkurs. Sie berichtet, dass sie diese Woche etwas mehr Freizeit hat und sich freuen würde, mich zu treffen, ich möge sie bitte anrufen.

 

Mittwoch, 19.9. - nächster Kochkurs

Kurz vor 11 klingelt mein Telefon: Ling ist dran und verkündet freudestrahlend, dass sie heute Zeit hat und in einer halben Stunde bei mir vorbeikommt. Ok… Immerhin bin ich schon angezogen, aber die Wohnung musste mal wieder hinter dem Computer zurückstehen… Also räume ich im Sauseschritt die Wohnung auf, spüle das Frühstücksgeschirr, verpasse mir eine brauchbare Frisur und bereite Tee mit Gebäck vor. Erst gegen 12 kommt Ling schwer beladen die Treppe hoch. Sie kommt direkt vom Supermarkt, wo sie einen schönen, frischen Fisch erworben hat. Da sie ja von Dieter weiß, dass ich gerne chinesisch kochen lerne, wird sie mir heute die Zubereitung von Fisch zeigen. Uuuups, das kommt dann doch etwas überraschend, aber da ist es wieder, das andere Verständnis von Privatsphäre.

Also machen wir uns ans Werk. Der Fisch schwamm vor 30 Minuten noch im Bassin des Supermarkts herum, bevor er auf Eis gebettet die Reise in meine Küche antrat, das allein ist schon nix für mich. Ich stehe echt auf tiefgekühltes Fischfilet! Nun muss der arme Kerl ausgenommen und entschuppt werden. Ling macht das -zugegeben- sehr geschickt und ich bin heilfroh, dass sie mir diesen Frontalunterricht bietet und mich nicht selbst an den Fisch bittet. Die Zubereitung ist recht unspektakulär: Mit ein paar Frühlingszwiebeln und etwas Ingwer kommt der gesalzene Fisch auf wenig Öl in den Wok. Nach dem Anbraten wird mit einer Flasche Bier aufgegossen, Deckel drauf, garen. Dazu gibt's Reis. Dieter ist auch nicht schlecht überrascht, als er uns zu zweit brutzelnd in der Küche antrifft. Die Soße wird noch mit etwas Stärke angedickt und mit Sojasoße abgeschmeckt. Geschmacklich ist das Ganze sehr lecker und Ling berichtet über die vielen gesunden Eigenschaften dieses Essens - vor allem im Gegensatz zu Fleisch. Aber Spaß macht uns der Fisch nicht. Zum Einen schaut er so traurig mit seinen weißen Augen aus dem Topf heraus und zum Anderen nerven uns seine vielen Gräten. Er hat sie in allen Größen und man bekommt keinen einzigen Bissen herausgelöst, wo nicht mindestens 5 davon drinstecken. Dabei weist Ling uns noch extra darauf hin, welche Teile "kaum" Gräten enthalten, die wirklich schwierigen Teile schnappt sie sich, damit wir es einfacher haben. Nee, so ein Fischstäbchen ist schon was Feines!

 

Donnerstag, 20.9. - Pins & Needles

Christine hatte mich rechtzeitig informiert, dass diesmal nur etwa 12 bis 15 Frauen kommen würden. Alle Schulklassen ab Stufe 5 der internationalen Schule sind diese Woche auf Klassenfahrt und das nutzen viele Mütter für kinderfreie Ausflüge außerhalb von Nanjing. Also bereite ich nur einen Obstsalat zu und nehme ein paar Schokolädchen mit. Die erste Reiseetappe in den östlichen Vorort Nanjings mit der S-Bahn habe ich ja schon mehrfach unternommen und Dank Brigitte weiß ich auch, dass die vielen Chinesen, die mich am Ausgang der S-Bahn-Station auf Chinesisch ansprechen, Schwarztaxifahrer sind. Echte Taxis sind hier draußen nämlich schlecht zu bekommen. Diese Privatleute bieten Taxifahrten in ihren Autos an. Das Schwierige für uns Kunden ist, dass kein Taxometer den Fahrpreis anzeigt, der muss ausgehandelt werden. Was passiert, wenn die Polizei einen bei so einer Schwarzfahrt anhält, weiß ich nicht. Ich werde mich einfach dumm stellen. Kraft meiner Wassersuppe biete ich einem der Fahrer 12,- Yuan für die Fahrt nach Royal Garden an. Er ist sofort einverstanden und nährt damit meine Befürchtung, dass das wahrscheinlich zu viel ist. Aber später höre ich sogar, dass 15,- der Normalpreis wäre. Ich habe mir die Strecke von google maps sehr gut eingeprägt und erkenne, dass wir auf dem richtigen Weg sind und nach 10 Minuten lädt er mich am Tor von Royal Garden ab. Da ich ausreichend früh dran bin, mache ich sogar ein paar Fotos.

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Christines Haus ist sehr modern eingerichtet, auch keine eigenen Möbel, sondern vom chinesischen Vermieter bereitgestellt. Sie hat es in ihrer Küche sogar zu einer ausgewachsenen Spülmaschine gebracht. Bei ihr ist es der Wäschetrockner, der weit von unseren Standards entfernt ist: Es ist ein Ablufttrockner ohne Abluftschlauch, der am Ende eines Küchenflurs über der Waschmaschine eingebaut ist, kein Fenster in der Nähe. Aus allen Ritzen und Fugen entweicht die Feuchtigkeit, der Trockenvorgang dauert locker 4 Stunden und dann ist das gesamte untere Stockwerk eingenebelt. Und obwohl sich sowohl an den Türen in der Nähe als auch im Esszimmer um die Ecke schon das Furnier löst, weiß man von Seiten des Fachmanns, den der Vermieter beauftragte, keine Abhilfe, das ist halt einfach so, basta!

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Nach und nach trudeln dann doch etwa 15 Frauen ein und man versammelt sich erst mal rund um den Esstisch um eine Tasse Kaffee oder Tee zu trinken und eine Kleinigkeit zu naschen. Manche kenne ich schon, andere treffe ich heute zum ersten Mal. Mein miserables Personen- und Namensgedächtnis ist hier wirklich eine peinliche Hürde. Auch die deutsche Gasteberin, Christine kannte mich schon, während ich erstmal gar kein Gesicht zu unserem deutschen mail-Kontakt zuordnen konnte. Tatsächlich hatte ich sie beim letzten Treffen auch gar nicht als Deutsche wahrgenommen, denn sie spricht dermaßen fließend american english, nachdem sie vor China mehrere Jahre in USA gelebt hatte. Ich finde es faszinierend, wie wir Frauen aus x verschiedenen Nationen und Kulturen da so zusammensitzen und stricken, sticken und nähen. In unseren Heimatländern spielen Handarbeiten auch sehr unterschiedliche Rollen. In China jedenfalls werden wir allesamt bestaunt. Eine Schwedin hatte auf einer Zugfahrt ihr Strickzeug ausgepackt, woraufhin sie gleich von einer Chinesin angesprochen wurde, das sei ja recht schön was sie da macht, aber sie müsse das wirklich nicht selber tun. Sie könnte ihr eine Adresse nennen, wo solche Kleidungsstücke auf Maß angefertigt würden. Die Erläuterung, dass die fertige Jacke ja gar nicht das Wichtigste daran sei, sondern der Spaß am Stricken selbst, konnte die Chinesin überhaupt nicht nachvollziehen.

So gegen halb 12 lösen wir uns langsam auf. Einige wollen noch gemeinsam zum Mittagessen ins Restaurant gehen, da schließe ich mich gerne an. Dieter rechnet eh nicht mit mir, er ist heute Selbstversorger. Treffpunkt ist das Blue Marlin in der Nähe eines anderen Compounds. Dort gibt es Luxus-Burger, Steaks, Pizza, Spaghetti und sehr leckere Salate, also westliches Futter. Wir lassen es uns gut schmecken und führen nette Gespräche. Als deutschen Neuling weist man mich darauf hin, dass direkt nebenan der Deutsche Bäcker von Nanjing eine Filiale hat. Von ihm habe ich schon gehört, auch im Internet gelesen. Er stammt aus Mainz und kam vor 20 Jahren nach Nanjing um dort einen kleinen Einblick in die chinesische Medizin zu ergattern, nachdem er vorher Ernährungspsychologie studiert hatte. Dass es in Nanjing damals so rein gar keine westlichen Lebensmittel gab, inspirierte ihn zur Gründung der Bäckerei. In China braucht man dafür keinen Meisterbrief, es gibt auch keine Bäckerausbildung. Sein Startkapital und die Freude am Backen reichten aus. Heute betreibt er 2 oder 3 Bäckereien in Nanjing und auch Kaffee, Wein, Sauerkraut, Wurst und Käse bietet er an. Seine Preise sind natürlich höher als im Supermarkt, aber dennoch muss ich mächtig zugreifen: Käsekuchen, Laugenbrötchen, Giabattabrötchen, Emmentaler Käse, eingeschweißte Salami, Schwarzwälder Schinken und sogar Fleischkäse müssen einfach mit. Dieter ist hellauf begeistert von meinem Einkauf.

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